Sitzung des Gemeinderats am 20.11.2024
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Dezernentinnen und Dezernent, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Unter anderem aus dem Film „Eins Zwei Drei“ von 1961 stammt das berühmte Zitat: „die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“. Beides möchte ich mit Blick auf unseren städtischen Haushalt verneinen. Die Lage ist nicht hoffnungslos, aber durchaus ernst. Die Aufgaben, die der Stadt von oberen Ebenen auferlegt wurden oder die wir (bzw. unsere Vorgänger) uns selbst gegeben haben, überfordern uns nun. Rückwirkend betrachtet hat diese Stadt die fetten Jahre bis Corona zu wenig genutzt, um in ihre Zukunft zu investieren und zu viel in den konsumtiven Teil gesteckt. Und natürlich wirken die Ausgaben für das BZW für unsere Haushaltslage wie ein Brandbeschleuniger: auch etwas, was man besser viel viel früher angegangen wäre. Dann wären wir heute in einer besseren Ausgangslage.
Das soll keine Absage an das Projekt sein, im Gegenteil. Aber es beansprucht nun mal den Löwenanteil der uns möglichen Bauinvestitionen in den nächsten Jahren. Daneben wird nicht viel machbar sein. Aber in diesem Bewusstsein haben wir es in der letzten Periode beschlossen, das war uns allen klar.
Dabei zeigt der Blick auf die Zahlen, dass wir keine Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem haben. Denn die Einnahmen steigen weiter stetig. Die Kostenentwicklung, beginnend seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, läuft der Einnahmeentwicklung aber schnurstracks davon. Das wir hier nun reagieren müssen und unsere Strukturen und Aufgaben auf den Prüfstand stellen müssen, mag dem ein oder anderen unfair vorkommen. Und das ist verständlich: wir werden nächstes und die folgenden Jahre gute und erfolgreiche Arbeit in Projekten nicht fortsetzen können. Gleichzeitig haben wir Institutionen in der Stadt, die die rasant gestiegenen Sach- und Personalkosten ebenfalls treffen und die unsere Unterstützung brauchen – und zwar mehr davon, um überleben zu können.
Daraufhin erdachten die Verwaltung mit dem Gemeinderat das Projekt WIN LB. Im ersten Jahr ist es ohne Zweifel zu früh, auch nur eine Zwischenbewertung vornehmen zu können, liegen doch jetzt nur die Veränderungen auf dem Tisch, die schnell umsetzbar sind. Aber eines soll zum vorgelegten Ersten Paket gesagt sein: Ein Sparprojekt, das vor allem aus Einnahmeerhöhungen besteht, verdient seinen Namen NICHT wirklich…
Mit Blick auf die Finanzplanung ist der Auftrag klar: die dort prognostizierten riesigen Schulden müssen verhindert werden. Niemand wird es wundern, wenn wir als Liberale Probleme mit Neuverschuldung haben, aber ich bin mir sicher, dass der präsentierte Ausblick hier im Rund bei den allermeisten deutliches Unbehagen auslöst! Wir brauchen mehr Deckungsbeitrag durch den Ergebnishaushalt, wir brauchen mehr Überschuss aus dem laufenden Betrieb. Viel mehr! Und da bestätigt sich für uns wieder einmal: Haushalte saniert man nicht mit Einnahmeverbesserungen, sondern mit Ausgabekürzungen. Und da geht der Blick natürlich zu Allererst zum größten Einzelposten: den Personalausgaben. Denn der hilfesuchende Blick nach oben, zur Hilfe vom Land, wird auch in den nächsten beiden Jahren vergeblich bleiben. Denn obwohl das Land mit Rücklagen von knapp 10 Milliarden Euro plant, hält man die Kommunen an der kurzen Leine. Die Ergebnisse des Zensus, bei dem wir nominell Einwohner verloren haben, wird sein Übriges tun.
Ein großer Dank an die Dezernenten und die Fachbereichsleitung Personal, dass nach Jahren endlich mal ein Null-Wachstum bei den ordentlichen Stellen erreicht wurde, weil man notwendige Aufwüchse – wie immer etwa im Bildungsbereich – anderswo ausgeglichen hat. Aber der Blick auf die vielen Neustellen im befristeten Bereich lässt das Bild schon schief hängen.
(Ich verstehe die vorher geäußerte Forderung, in Zukunft die Personalkosten um den Faktor X gesenkt haben zu wollen). Aber die Kosten folgen den Köpfen. Die zu Anfang des Prozesses genannte Zielzahl von 200 Stellen minus ist für uns weiter eine Messlatte für den Erfolg des ganzen Projekts. Das fordern wir auch weiter ein. Und die Schaffung oder Umwidmung von Stellen für andere Zwecke ohne die vorherige Information und ggf. Zustimmung des Gemeinderats sollte auch nicht mehr vorkommen.
Und auch wenn das vielleicht nun anders klingt: dabei sind wir voller Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung. Wir werfen niemandem persönlich etwas vor oder erklären deren Arbeit für unnötig. Und wir unterstützen den OB in seinem Bestreben, den Prozess maximal Mitarbeiterfreundlich auszugestalten, denn Sie sind unser Kapital. Aber für uns ist auch klar – jetzt kann man diese Prozesse sinnvoll gestalten und begleiten – wenn wir damit warten, werden uns eventuell andere den Rasenmäher in die Hand drücken. Und das will niemand.
Und das führt uns zurück zur altbekannten Frage nach den Pflicht- und den Küraufgaben. Am Ende des Tages ist ein tiefgreifender Konsolidierungsprozess ohne diese Betrachtung nicht möglich, beeinflusst das doch die Möglichkeiten für Einschnitte ganz entscheidend. Leider hat uns die Verwaltung auch auf unser jetzt schon fast jahrelanges Dringen auf so eine Bewertung bisher nichts vorlegen können. Dies zeigt aber auch, wie sehr der Prozess WINLB zum Erfolg verdammt ist: gelingt er nicht, werden wir anhand dieser Frage weit schwierigere Entscheidungen in der Zukunft treffen müssen.
Kommen wir zu den Einzelfragen:
Wir haben uns intensiv damit beschäftigt wie wir mit der von der Verwaltung vorgeschlagenen Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes umgehen. Wir fordern - den Appell der IHK aufnehmend – eine Beibehaltung des Gewerbesteuerhebesatzes bei 385 und bleiben damit unserer Linie treu. Die Konjunktur ist schlecht, wir wollen Arbeitsplätze nicht weiter gefährden und die Erfahreneren hier kennen ja schon meinen Satz dazu: „Nicht der Hebesatz macht die Gewerbesteuereinnahmen, sondern die Wirtschaftslage.“ In der Betrachtung dieser Gesamtlage haben wir uns dafür entschieden und liefern auch mehrere Gegenfinanzierungsmöglichkeiten mit. Steuersatzerhöhungen werden uns nicht weiterhelfen, und nur um die Braut „Haushalt 25“ gegenüber dem Regierungspräsidium aufzuhübschen reichen wir die Hand dafür nicht. Klar ist aber auch, 395 ist besser als 400.
Parkgebühren: Einer weiteren Steigerung der Anwohnerparkgebühren werden wir nicht zustimmen. Wir sind sowieso schon beim doppelten Betrag des Verwaltungsaufwands, dazu müssen die Anwohner über die Grundsteuer im nächsten Jahr an sich schon mehr zahlen, müssen sie doch die geringeren Zahlungen aus den Gewerbegebieten kompensieren, damit die Stadt insgesamt nicht weniger einnimmt. Eine weitere Zusatzbelastung ab Januar ist daher unverhältnismäßig.
Bei den sonstigen Parkgebühren gab es im Aufsichtsrat der Stadtwerke einen moderaten Vorschlag aufgrund der Kostensteigerungen, dem wir uns nicht entgegenstellen würden, aber mehr ist mit uns nicht zu machen. Insbesondere, weil wir auch die Auswirkungen des Wegfalls der Parkmöglichkeit auf dem Arsenalplatz für unsere Innenstadt noch gar nicht kennen. In diese Situation eine Erhöhung der Parkgebühren vorzuschlagen ist ein Spiel mit dem Feuer – mit der Gefahr, die zu verprellen, die unserer Innenstadt jahrelang die Treue gehalten haben, nun sich aber erst umgewöhnen müssen. Ebenso ist es nicht zielführend, die Tages- und Monatstickets für die Mitarbeiter der innerstädtischen Firmen zu verteuern. Wir suchen ja überall händeringend Fachkräfte.
Beim Thema Ausweitung des Anwohnerparkens wäre das mit einer sinnvollen Ergänzung zustimmungsfähig, wenn wir wieder einen Besucher-Abrissblock oder Ähnliches für die Anwohner ermöglichen würden. Dann würden wir die berechtigten Bedenken aufgreifen und trotzdem eine Lücke auch in Hinsicht auf den Blüba-Verkehr schließen. Aber anders herum betrachtet: Solange wir keine Parkraumüberwachung am WE sicherstellen können, müssen wir das auch nicht bepreisen.
Zu den Sonstigen Punkten in der von der Verwaltung vorgelegten Liste möchten wir bemerken, dass wir hier im Wesentlichen mitgehen, möchten aber zB bei den Essensbeiträgen anregen, doch einmal über eine Differenzierung zwischen Kita/Grundschulen und den weiterführenden Schulen nachzudenken, ggf unter Anpassung der Portionsgrößen. Ich kann zuhause sehen, welche Mengen Teenager plötzlich wegverarbeiten können, und da leuchtet jedem eine Differenzierung ein.
Und dank an die Grünen und die SPD für den Antrag zu Connect.
Nun noch zu einigen unserer anderen Anträge:
1. Eine Aufstockung der Zuschüsse für die freien Kulturinstitutionen: Die Stadtspitze betont immer, wie wichtig die weichen Faktoren für die Stadtgesellschaft sind, und andererseits wir wichtig es ist, die Mitarbeiter wertschätzend mitzunehmen. Dem stimmen wir – siehe oben – ausdrücklich zu. Aber wir sehen auch eine Verantwortung für die Institutionen und deren Mitarbeiter in unserer Stadt, die nicht direkt auf der städtischen Payroll stehen. Deshalb wollen wir hier den dringend notwendigen Inflationsausgleich für die letzten Jahre sichern. Vielen Dank hier an die Akteure im Kulturbündnis und die Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen, die dies genau so sehen. Eine Gegenfinanzierung bieten wir an.
2. Nichtabsenkung des Zuschusses für die Waldorfschule für das nächste Jahr. Die geplante Absenkung, auch wenn sie erst für das neue Schuljahr gelten soll, reißt ein tiefes Loch in die Kasse einer traditionsreichen freien Schule in unserer Stadt. Angesichts der Tatsache, dass uns als Steuerzahler die freien Schulen sowieso entlasten, da sie nur 83% ihrer Kosten ersetzt bekommen, ist es für einen freien Träger schwer, in so kurzer Zeit eine solche Zuschusskürzung umsetzen zu müssen. Daher wollen wir den Zuschuss erst einmal so belassen und mit dem Auftrag an die Verwaltung verbinden, im nächsten Jahr eine verträgliche Lösung mit dem Trägerverein der Waldorfschule zu finden.
3. Eine deutliche Reduktion des Projekts Klimabonus. Wie bereits im vergangenen Jahr beklagt ist das ein nettes Add-On für Menschen, die sowieso schon entschieden haben, in PV oder Dämmungsmaßnahmen zu investieren. Unser Betrag löst aber keine Entscheidung aus. Aber wir haben nun mal kein Geld mehr für Mitnahmeeffekte und auch keines für grüne Feigenblätter der Verwaltung, um erwarteter Kritik etwas entgegenhalten zu können. Die zukünftige Förderkulisse mag zwar im Moment mangels HH im Bund unklar sein, aber klar ist auch, wir fangen das nicht auf. Und unsere eigentliche Aufgabe ist, neben der sinnvollen Förderung der Balkonkraftwerke, unser Augenmerk auf die Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen zu legen. (Leider liegt uns die angekündigte Neuausrichtung des Förderprogramms noch nicht vor.)
4. Verzicht auf den Stern-Kreisel. Nach nunmehr ausgiebiger Probezeit zeigt sich, dass die von uns damals vorgesehen Bypasslösung jeweils nach rechts, die sich aus rechtlichen Gründen nicht verwirkliche ließe, dringend nötig wäre, um die Leistungsfähigkeit des Kreisels – insbesondere in den Spitzenzeiten – also gefühlt immer häufiger- signifikant zu erhöhen. Da das nicht passieren wird, fehlen die Argumente, die Ampellösung wegzukreiseln. Vor allem, wenn man weiß, dass aus dem Osten der Stadt die Menschen mittlerweile den Kreisel meiden, wo immer es geht, die gefühlte Verflüssigung also einfach aus einem geringeren Aufkommen kommt. Addiert dazu der Antrag, den U-Turn an der Stuttgarter Strasse beizubehalten. Wenn man in Zukunft aus der Bärenwiese nur noch rechts abbiegen können soll, brauchen wir ihn dringend weiter, denn mutwillig noch mehr Verkehr in den Kreisel zu schicken kann ja wohl nicht sinnvoll sein.
5. Austritt Zweckverband Stadtbahn. Wir möchten hier mit einer Konzentration auf die Reaktivierung der Markgröninger Bahn mit einem entsprechenden kleineren Zweckverband klarmachen, dass wir das für sinnvoll erachten, die Äste durch die Ludwigsburger Innenstadt aber nicht. Und wir haben bei Betrachtung der Realität auch hier die Einschätzung, dass die immer ins Schaufenster gestellten Fördermittel am Ende nicht fließen werden, weil man auch von Bundes- und Landesebene die Mittel in der Form nicht mehr haben wird. Die goldenen Jahre sind nun mal vorbei.
6. Wir haben im letzten Jahre Anträge gestellt, die man zu WINLB gestellt hat und auf deren Bewertung wir zum größten Teil noch warten: Veranstaltungsreduktion, Abschaffung Frau und Beruf, Gestaltungsbeirat. Bei letzterem gab es eine Absage für die Abschaffung, Beratungsgremien ohne wirkliche Arbeitserleichterung für die Verwaltung leisten wir uns also noch. Und ich zitiere hier eine Einschätzung eines Fachmanns: „Der Gestaltungsbeirat hat noch kein Bauvorhaben günstiger gemacht.“
Abschließend möchte ich mich bei der ganzen Stadtverwaltung sehr herzlich für die Erstellung dieses Haushaltsentwurfs bedanken, zuvorderst natürlich den Fachbereichen Finanzen und Personal. Zwar triefen Blut, Schweiß und Tränen nicht aus diesem Blattwerk, aber ansehen, dass das geflossen sein muss, tut man ihm schon. Uns allen eine weiterhin gute Beratung, und herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.