Das Thema Energiewende spielt im Ludwigsburger kommunalpolitischen Umfeld eine wichtige Rolle. Die Stadt Ludwigsburg wurde als eine von neun Kommunen beim Landeswettbewerb „Klimaneutrale Kommune“ ausgezeichnet, hat sogar den höchsten Fördermittelbetrag im Rahmen des Wettbewerbs erhalten und beschäftigt nun seit 1. Dezember 2011 einen Klimaschutzmanager. Dies alles ist Bestandteil des Gesamtenergiekonzepts der Stadt Ludwigsburg – und auch die Weiterentwicklung des Energetikoms beschäftigt aktuell die Lokalpolitik.
Da liegt es nahe, sich mit dem Thema der Energiewende und erneuerbaren Energien intensiv zu beschäftigen. Auf Einladung des FDP-Ortsverbandes konnten interessierte Bürgerinnen und Bürger mit zwei Experten über dieses Thema diskutieren. Andreas Hopp von der Ludwigsburger Solarinitiative und Christian Meyer, Experte für Kraftwerksbau, stellten jeweils aus ihrer Sicht zentrale Aspekte der Energiewende in ihren Impulsvorträgen vor.
Andreas Hopp ging zunächst auf die Entwicklung der verschiedenen Energieträger für die Stromerzeugung ein (Link zur Präsentation). Vor 10 Jahren waren Braunkohle, Steinkohle und Kernenergie die drei tragenden Säulen mit rund drei Viertel Anteil an der Stromproduktion, wohingegen erneuerbare Energien noch eine untergeordnete Rolle spielten. Mittlerweile werden 20 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen – dies entspricht in etwa dem Anteil des privaten Energieverbrauchs. Auch die Zusammensetzung der erneuerbaren Energien hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre stark verändert. War 2001 die Wasserkraft mit rund 60 Prozent Anteil an den erneuerbaren Energien noch die tragende Säule in der Erzeugung, so liegen heute die Windenergie mit 38 und Biomasse mit 26 Prozent Anteil auf Platz eins und zwei.
Sowohl aus Sicht der privaten Verbraucher als auch aus Sicht der Industrie stellt sich immer wieder die Frage nach der weiteren Entwicklung des Strompreises. Darauf ging Andreas Hopp mit einer Betrachtung der Preisentwicklung an der Leipziger Strombörse ein. Während der Strompreis für die Verbraucher in den letzten Jahren kontinuierlich anstieg, zeigte die Preisentwicklung an der Börse nur kurzfristig in Folge der Katastrophe von Fukushima einen Preisanstieg, der zwischenzeitlich schon wieder überkompensiert ist. Der Börsenpreis für Strom ist heute sogar niedriger als 2007.
Andreas Hopp stellt in seinem Vortrag sehr gut nachvollziehbar dar, weshalb der Ausbau der erneuerbaren Energien zulasten der Margen der großen Stromanbieter gehen und kritisierte zugleich den Umstand der komplexen Regelungen der EEG-Förderung (Erneuerbare Energien Gesetz). Letzteres muss in seiner Transparenz deutlich verbessert werden und darf nicht zu einem bürokratischen Monster mit erheblichem Verwaltungsaufwand verkommen. Andreas Hopp sieht daher auch nicht das Absenken der Einspeisevergütung als Hinderungsgrund für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern vielmehr das hausgemachte Problem der bürokratischen Regelungen und appelliert an die Politik, vernünftigen Initiativen auch vernünftige Regelungen folgen zu lassen.
In dem Impulsvortrag von Christian Meyer lag der Fokus stärker auf der Umsetzung der Energiewende, insbesondere der Realisierung von off-shore-Windparks in der Nordsee. Dort ist er beruflich tätig und schilderte aus erster Hand die täglichen Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Realisierung der Windkraftanlagen. Hatte die Politik unter Rot-Grün im Bund zunächst beim Atomausstieg beschlossen, vermehrt Gaskraftwerke in Deutschland zu bauen, um die Kernenergie zu ersetzen, so führte die Laufzeitverlängerung von Schwarz-Gelb dazu, dass die Realisierung der neuen Kraftwerke zunächst verschoben wurde. In der Folge von Fukushima und der Entscheidung deutsche Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen, entstand nun die Notwendigkeit schnellstmöglich den Ausbau von grundlastfähigen Kraftwerken voranzutreiben. Off-shore-Windparks in der Nordsee gehören zu diesen Möglichkeiten. Jedoch war der dortige Ausbau, der sich schon seit einiger Zeit in der Planung befindet, nicht darauf ausgerichtet, den Ersatz der Atomkraftwerke in dem nun verkürzten Zeitraum zu leisten.
So gehört es zu den täglichen Herausforderungen, Fragen zu klären, wie Fundamente umweltverträglich im Meeresboden (Wassertiefe zwischen 18 und 45 m) verankert werden können, oder auch wer für die Anschlüsse und Verlegung von Kabeln sorgt, damit die Stromproduktion auch „an Land gehen kann“. Zudem mangelt es an der notwendigen technischen Unterstützung, z.B. in Form von Schiffen für den Tiefbau auf dem Meeresgrund oder auch an entsprechenden Transportschiffen – ein Rotorblatt einer Windenergieanlage in der Nordsee allein ist schon größer als das neu errichtete Windrad in Ingersheim.
Zudem stellt sich die Frage, wie der produzierte Strom von Norddeutschland – dort hat man schon heute Überkapazitäten in der Stromerzeugung – nach Süddeutschland gelangt. Das heute vorhandene Fernleitungsnetz für die Stromversorgung in Deutschland ist auf eine derartige Durchleitung nicht ausgerichtet. Der Ausbau ist daher zwingend erforderlich und wird nun in einer „Arbeitsgruppe Beschleunigung“ mit Vertretern aus dem Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium vorangetrieben.
In seinen Ausführungen streifte Christian Meyer noch weitere Themenfelder der Energiewende. So bemerke er aktuell einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung durch die off-shore-Aktivitäten, nicht nur in Hamburg, sondern in dem am Tropf des Länderfinanzausgleichs hängenden Bremen, und natürlich im ganzen küstennahen Gebiet. Gleichzeitig sieht er die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit des Ausbaus nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern zu forcieren, da gerade auch der Konkurrenzdruck aus dem Ausland wachse. Weiterhin ergeben sich aber aufgrund der tatsächlichen Realisierungsschwierigkeiten der off-shore-Anlagen erhebliche Finanzierungsprobleme bei den Unternehmen. Dies belaste insbesondere die mittelständischen Unternehmen, die sich dort engagierten. Seine Befürchtung lautet daher, dass sich ohne gravierende Änderung langfristig nur die großen Betreiber durchsetzen werden können. Doch nicht nur die Frage der Finanzierung spielt eine wesentliche Rolle für den Erfolg der „Energiewende in der Nordsee“. Auch die heraufziehende Konkurrenz des Projektes „Desertec“ dürfe man nach Auffassung von Christian Meyer nicht unterschätzen.
Die Vielfalt der von den Referenten angesprochenen Themen sowie die anschließend von den interessierten Teilnehmern aufgeworfenen Fragen und Diskussionsbeiträge – z.B. auch zum Thema Effizienzsteigerungspotenziale in der Energienutzung – zeigen, dass es sich beim Thema Energiewende und erneuerbare Energien um ein Feld handelt, bei dem sich laufend neue Herausforderungen ergeben, bei dem aber auch ein einmal eingeschlagener Weg mit hoher Konsequenz verfolgt werden muss – so z.B. die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen für die Realisierung eines off-shore-Windparks. Wer Versorgungssicherheit gewährleisten will, kann auf Großkraftwerke zur Sicherung der Netzstabilität nicht verzichten, so eine der abschließenden Mahnungen des Kraftwerksexperten Christian Meyer.
Beiden Referenten möchte ich hiermit nochmals recht herzlich danken und hoffe zugleich, dass wir die Diskussion fortsetzen können. Im Juni werden wir Bodo Skaletz, Geschäftsführer der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim zu Gast haben. Dann geht es noch mehr um das Thema dezentrale Energieversorgung. Die Diskussion bleibt spannend.