Die Bildungsexperten bei der Mandatsträgerkonferenz, zu der die FDP-Kreistagsfraktion ins Ludwigsburger Kreishaus eingeladen hatte, waren sich einig: „Die Hauptschule ist besser als ihr Ruf“, war der Tenor der Vertreter aus Lehrer- und Elternschaft, der Gewerkschaft und der Industrie- und Handelskammer. Auf die Eingangsfrage des FDP-Kreistagschef Johann Heer (Ludwigsburg) : „Quo vadis Hauptschule, hat die Hauptschule ausgedient und wie sieht die Hauptschule in fünf Jahren aus? gab es dennoch unterschiedlich Auffassungen.
Äußerst düster sah der Ludwigsburger Geschäftsführende Schulleiter der Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen, Otto Lechner, die Zukunft der Hauptschulen. Ohne strukturelle und grundlegende Änderungen konzeptioneller und inhaltlicher Art werde es für das Überleben der Hauptschule schwierig werden. Die Übergansquoten von knapp 20% gewähre in absehbarer Zeit keine durchgängige 2-Zügigkeit der Hauptschulklassen, was zu einer deutlich schlechteren Lehrer – und Unterrichtsversorgung führen werde. Die Stadt Ludwigsburg habe, so Lechner, bereits durch die Verabschiedung ihres Schulentwicklungsplan auf diese Situation reagiert und wird Hauptschulstandorte zusammenführen und die Schulsituation in allen Schularten mit einem finanziellen Kraftakt neu ordnen. Dennoch brauchen wir eine „neue Hauptschule“ um den gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen Rechnung tragen zu können, dazu gehöre auch der Zugang zu einem mittleren Bildungsabschluss.
Ute Falkenberg, Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung- und Wissenschaft , GEW, moniert die Bildungspolitik der Landesregierung und sieht die Lösung der bildungspolitischen Probleme im Schulbereich in der Zusammenlegung von Schularten und plädiert für: „Eine Schule für alle.“ Frühe Selektion und Ausgrenzung sind keine Lösung für die schulischen Herausforderungen der Zukunft, von der nur „privilegierte“ Schichten profitieren. Der Druck auf Eltern und Kinder zum Ende der Grundschule könne durch „Eine Schule für Alle“ gemindert werden, ist die Auffassung der GEW.
Für die FDP-Landtagsabgeordnete Monika Chef ist die „Einheitsschule“ nicht der richtige Weg einer zukünftigen schulpolitischen Konzeption, denn sie werden dem Anspruch individuelle Förderung nicht gerecht und „stelle nur den kleinsten gemeinsamen Nenner dar“, ohne die Hauptschule aus der Misere zu führen. Unsere Schullandschaft in Baden-Württemberg ist bestens aufgestellt, so Monika Chef. Dennoch sieht die Landtagsabgeordnete bildungspolitischen Reformbedarf in der Verbesserung der Schulcurricula, der finanziellen Ausweitung des Budget von Vertretungsstunden, einem Recht auf freie Schulauswahl und der Abschaffung von Schulbezirken sowie der Stärkung der Lehrerkonferenzen und bei der Besetzung von Lehrerstellen durch schulscharfe Ausschreibungen. „Der Zugang zu einem mittleren Bildungsabschluss soll für alle offen bleiben, wir brauchen mehr Kooperationen der Schularten untereinander und die Bereitschaft zu mehr Modellversuchen.“
Landrat Dr. Rainer Haas stellte fest, dass das Anforderungsprofil in den beruflichen Schulen „drastisch“ angestiegen sei. Die Schulen des Landkreises stellen sich diesen Herausforderungen und bieten Hauptschülern und Schulabgängern auch ohne Abschluss, eine Vielfalt an schulischer Aus- und hervorragende Weiterbildungsmöglichkeiten auf dem Wege zum Beruf an. Hier stehen wir in enger Zusammenarbeit mit der IHK, den Handwerkskammern und Bildungsträger, um Schülerinnen und Schüler zur Berufsreife zu führen. Dennoch sei nicht zu verkennen, so Landrat Dr. Haas, dass in zunehmende Maße sozialpolitische Probleme die Arbeit in den Schulen überlagern. Eine Nivellierung der Schularten, so Landrat Dr. Haas, führe zu keinen besseren Schulleistungen, sondern verstärke die Tendenz der Nachfrage nach privaten Schulen.
Ein ganzes Bündel an Vorschlägen hatte Jochen Haller, Geschäftsführer der IHK Bezirkskammer Ludwigsburg parat und zeigte das Dilemma auf: „Viele Betriebe finden keine qualifizierten Auszubildende und viele Schüler finden keine Ausbildungsplätze.“ Wir brauchen eine bessere Ausbildungsreife der Schüler, eine bessere Qualität des Unterrichts, eine bessere Sprach- und Ausdrucksfähigkeit der Schüler und die Beherrschung der Grundrechenarten, ist seine Forderung. In diesem Zusammenhang wünscht er sich eine Intensivierung der Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Wirtschaft, die es in vielen Bereichen bereits gebe und durch Stiftungen unterstützt werde.
Eine Umfrage, die der Gesamtelternbeiratsvorsitzende Bernd Gehlen unter den Eltern gestartet hatte, brachte zutage, dass betroffene Eltern von Lehrern und der Hauptschule ein hohes Ansehen haben. Dennoch werden rund 7 Milliarden Euro, so Gehlen, von Eltern in privaten Nachhilfeunterricht, investiert. Dies zeige deutlich, dass der Staat deutlich mehr Geld in die Hand nehmen müsse, um die Bildungslandschaft in der Bundesrepublik voranzutreiben, eine Forderung, der sich alle Diskussionsteilnehmer anschließen konnten.
Einig war man sich bei der Mandatsträgerkonferenz, was sich in den Wortbeiträgen vieler Diskussionsteilnehmer widerspiegelte, dass die flächendeckende Einführung eines Ganztageschulbetriebes, sowie die verstärkte frühkindlichen Förderung und Betreuung, der Ausbau der Sprachförderung und die Integration von Schülern und Eltern mit Migrationshintergrund elementare Voraussetzungen für ein Gelingen einer erfolgreiche Bildungsoffensive sein müssen.